Schiff Le Commandant Charcot in Hamburg
Schiff Expedition

Schiffsbesichtigung des Eisbrechers «Le Commandant Charcot»

Die meisten Expeditionskreuzfahrtschiffe können mit ihren eisverstärkten Rümpfen nur sehr bedingt, wenn überhaupt, im Packeis manövrieren. Die «Le Commandant Charcot», der französischen Reederei Ponant aber, ist mit ihrer Eisklasse «PC2» eine richtige Eisbrecherin. Sie kann mit maximal 245 Gästen zu polaren Zielen aufbrechen, die für alle anderen modernen Expeditionskreuzfahrtschiffe oft unerreichbar sind.

Urs Steiner, Teamleiter von Ship'N'Train Travel, konnte dieses aussergewöhnliche Schiff im Hamburger Hafen besichtigen. Gerne nimmt er Sie mit auf einen Rundgang – und zieht am Schluss ein Fazit. 

Das Schiff in Zahlen

Die «Le Commandant Charcot» wurde 2021 in Dienst gestellt. Mit einer Länge von 150 Metern und einer Breite von 28 Metern wirkt sie bulliger als vergleichbare Expeditionskreuzfahrtschiffe, die bei ähnlicher Länge rund zehn Meter schmaler sind.

Der Antrieb erfolgt durch eine Kombination aus Flüssiggas und Marinediesel. Vollgetankt könnte das Schiff vier Monate autark auf See bleiben. An Bord befinden sich 400 Batterie-Elemente für die Speicherung von Elektrizität. Die insgesamt rund fünfzig Tonnen schweren Batterie-Elemente können das ruhende Schiff für rund anderthalb Stunden mit Elektrizität versorgen. Theoretisch könnte das Schiff alleine mit Strom gefahren werden, dann ist aber nach zwanzig Minuten Schluss.

Für den Betrieb des Schiffes und die Betreuung der maximal 245 Gäste sind 215 Mannschaftsmitglieder*innen an Bord.


Die Kabinen

Alle 123 Kabinen sind Balkonkabinen.

  • Die meisten Kabinen sind in den Kategorien «Prestige» und «Deluxe» mit einer Kabinengrösse zwischen 19 und 28 Quadratmeter eingeteilt.
  • Die Suiten «Privilege» starten bei 40 Quadratmeter und hören bei der Eignerkabine mit 115 Quadratmeter auf.
  • Erwähnenswert auch die «Duplex-Suite» mit rund 94 Quadratmeter.

Alle Kabinen und Suiten sind in hellen und warmen Farbtönen gehalten, die mir sehr gut gefallen haben. Die Balkone in den Kategorien «Prestige» und «Deluxe» sind gross genug, so dass man gerne nach draussen zum Kaffee trinken geht. Wer gerne im Liegestuhl auf dem privaten Balkon entspannen möchte, bucht die höheren Kabinenkategorien – da kommt dann auch mal ein Whirlpool auf dem Balkon ins Spiel ...

Auf der anderen Seite: Das Schiff ist meistens in polaren Regionen unterwegs, also nicht gerade die Region, in der man Stunden auf dem Balkon verbringt.


Die öffentlichen Räume

Was mir bei den öffentlichen Räumen schnell auffällt ist die Helligkeit: Viele und grosse Fenster lassen den Blick ungehindert nach aussen schweifen. Warme Farben lassen zum Beispiel die grosse Lounge auf Deck 5 fast wie ein riesiges Wohnzimmer erscheinen. Aber auch das Restaurant «Sila» auf dem 9. Deck, in dem das Frühstücksbuffet bereit gestellt wird, ist lichtdurchflutet. Witzig: Gewisse Aussenlounges auf dem Deck 9 und Sitzbänke auf dem Deck 5 werden mit sogenannter Abwärme etwas vorgewärmt. So kann man auch bei Minustemperaturen gemütlich draussen sitzen.

Heiss und kalt, kalt und heiss

Allgemein verfügt das Deck über eine Art Bodenheizung, damit es nicht gefriert. Wer trotzdem frieren will, kann sich nach dem Sauna-Besuch im «Snow Room» bei minus zehn Grad abkühlen.

Ein toller Platz, gerade wenn das Schiff im Packeis ist, ist das Promenadedeck auf Deck 5 oder die Helikopterlandefläche auf Deck 6, auf dem man direkt zum Eis hinunter schauen kann. Zwar hat das Schiff einen Helikopter an Bord, es werden aber keine Passagierflüge angeboten. Er dient primär dazu, Erkundungsflüge für die beste Routenwahl sowie im Notfall medizinische Evakuierungen durchzuführen.


Die Crew, die Bordsprache und der Service

Die leitenden Positionen an Bord sind primär mit Personen aus Frankreich besetzt, die Chargen im Restaurant- und Hotelbereich mit asiatischen Mitarbeiter*innen. Neben französisch wird auch überall englisch gesprochen. Die einst rein französische Reederei ist wesentlich internationaler geworden. Zum Teil sind auch deutschsprechende Mitarbeiter*innen an Bord. Aber die Kenntnisse der französischen oder der englischen Sprache sollten vorhanden sein, um mit Mitpassagier*innen zu sprechen oder sich mit Besatzungsmitglieder*innen zu verständigen. 

Fachkräftemangel

Das Personal ist ausserordentlich freundlich, da gibt es gar nichts zu meckern. Der Ausbildungsstandard des Personals im Restaurant oder im Hotelbereich hat sicher noch Potential. Allerdings ist das nicht ein reedereispezifisches Problem, sondern ein Problem, das sehr viele Reedereien – wie auch Hotel- und Gastronomiebetriebe an Land – beschäftigt: den Fachkräftemangel. Da klafft doch eine gewisse Lücke zwischen dem Anspruch der Reederei, «No.1 croisière de luxe» zu sein, und der Wirklichkeit.

Gerade bei Tagesraten, die bei diesem Schiff für Standardkabinen, je nach Reise, bei 1500 und 2000 Franken liegen, muss ich einen gewissen Abzug in der Benotung machen. Nichts zu bemängeln habe ich beim Essen: Das Abendessen und Frühstück war wunderbar.


Die einzigartigen Routen

Es sind zuvorderst die Reiserouten, wegen denen man mit der «Le Commandant Charcot» eine Reise buchen sollte. Mit ihr geht es in Regionen, in die kein anderes Expeditionskreuzfahrtschiff unterwegs ist – weil diese gar nicht so tief ins Eis vordringen können. Bevor ich aber zu fest ins Schwärmen komme, hier einige Highlights aus dem Programm:

  • Ab Spitzbergen bis zum Nordpol (und natürlich zurück).
  • Transarktische Passage: von Alaska aus, via geografischer und magnetischer Nordpol, nach Spitzbergen – eine der wohl verrücktesten Expeditionskreuzfahrten, die je angeboten wurden.
  • Nordwestpassage: Da kann die «Le Commandant Charcot» eine (Eis-)Route fahren, die mit keinem anderen Schiff möglich ist. 
  • Kaiserpinguine in der Antarktis: Die «Le Commandant Charcot» ist das einzige Schiff, das zur Kaiserpinguinkolonie bei «Snow Hill» vordringen kann. Andere Schiffe, die diese Kolonie besuchen wollen, sind auf Helikoptertransfers zwischen Schiff und Kolonie angewiesen.
  • Grönland im Frühling: Wenn die «normalen» Expeditionskreuzfahrtschiffe so langsam in Richtung Spitzbergen aufbrechen, ist die «Le Commandant Charcot» bereits in Grönland.

Die Forschung

Das Schiff dient primär dem Tourismus. Aber auch Forschungsanstalten können die Reisen der «Le Commandant Charcot» nutzen. So wird während meines Besuches in Hamburg vom Alfred Wegener Institut in Bremerhaven Forschungsmaterial angeliefert, das dann später bei den Nordpolreisen von den Forscher*innen des Instituts verwendet wird. Da die Eisbrecherin mehrmals pro Saison auf der gleichen Route von Spitzbergen zum Nordpol fährt, können die Forscher*innen das Schmelzen des Eises über einen ganzen arktischen Sommer verfolgen.

Reguläre Forschungsschiffe, wie zum Beispiel die «Polarstern», befahren normalerweise eine Route nur einmal. So liegen keine Vergleichswerte vor, wie das Eis zu Beginn des Sommers auf der Strecke zum Nordpol war und wie es gegen Ende Saison aussah. Bei der Feldarbeit (respektive Eisarbeit) können sich die Passagier*innen situationsbedingt und bei Interesse sogar einbringen. 


Das Fazit

Das Schiff und die angebotenen Reiserouten beeindrucken und begeistern mich. Man fühlt sich sehr schnell zuhause an Bord, auch dank dem freundlichen Personal. Die Kabinen wie auch die Gastronomie erfüllen die, auch von der Reederei geschürten, hohen Erwartungen. Wer bucht, wird eine einmalige Reise auf einem einmaligen Schiff erleben – trotz der eher hohen Tagesraten. 

Die Kurzfassung auf einer Skala von 1* bis 5*:

  • Servicedienstleistungen: 4*
  • Kabinen/Suiten: 4+*/5*
  • Reiserouten: 6*

Die Reisen sowie die Schiffsbeschreibung der «Le Commandant Charcot» finden Sie hier.

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