Union Station in Denver
Bahn Reisebericht

Erlebnisbericht: Mit dem Zug «California Zephyr» quer durch die USA

Nach rund vierzig Jahren wollte Ship'N'Train Travel-Teamleiter Urs Steiner die USA wieder einmal mit dem Zug durchqueren. Er hat sich eine Fahrt an Bord des legendären «California Zephyr» gebucht – um von Chicago nach Kalifornien zu reisen.

Rund 4'000 Bahnkilometer trennen Chicago vom Pazifik. 52 Stunden benötigt der Zug für die Durchquerung von 7 Bundesstaaten, der Rocky Mountains und zum Halten an bis zu 35 Haltestellen. Es ist die zweitlängste Bahnreise, die man in den USA erleben kann. Und sicher eine der landschaftlich schönsten.

Chicagos Union Station

Chicagos Union Station, ein neoklassischer Bau, der 1925 eröffnet wurde und seitdem als Hauptbahnhof von Chicago dient, beeindruckt vor allem durch sein Inneres: Die «Great Hall», mit dem 34 Meter hohen Atrium und ihrer mehr als 2'000 Quadratmeter grossen Fläche, ist ein würdiger Startpunkt für meine Reise in den Westen bis zum Pazifik. Seit der Renovation in den 2010er-Jahren erstrahlt die Station wie aus dem Ei gepellt.

Bevor die Reise los geht

Auf den originalen, langen Holzbänken, wo in den letzten hundert Jahren unzählige Reisende mit unzähligen Hoffnungen im Gepäck auf ihren Zug nach Westen warteten, sitzen heute Pendler*innen und Tourist*innen. Gebeugt über ihre Smartphones, auf den Aufruf für ihren Zug wartend. Auch Amische sind zu entdecken, die mit unserem Zug zu ihren Gemeinden in Iowa oder Nebraska reisen.

Da wir einen «Bedroom», ein Schlafwagenabteil, gebucht haben, können wir in der «Metropolitan Lounge» auf den Zug warten. Die Lounge ist eine modern gestaltete Business Lounge mit Snacks und Softgetränken und grosszügigen Sitzgelegenheiten auf zwei Stockwerken. Bei viel Betrieb ist eine kleine Bar offen, bei der man (kostenpflichtig) mit einem Glas Sekt oder Wein auf die kommende Reise anstossen kann.

Bevor wir es uns in der Lounge gemütlich machen, geben wir unsere Koffer am Gepäckschalter ab. Diese werden im Gepäckabteil untergebracht. Unsere Tagesrucksäcke für die nächsten gut zwei Tage können wir, während der Wartezeit in der Lounge, gratis deponieren. Anschliessend lassen wir uns entspannt in eine der Couches fallen und harren der Dinge, die da kommen.


Der Beginn der Reise

Rund eine halbe Stunde vor der geplanten Abfahrt des Zuges um 14 Uhr kommt die Aufforderung, dass sich alle Passagiere des AMTRAK-Zuges Nr. 5, dem California Zephyr, nun zum Ausgang begeben können. Wie wir schnell herausfinden, ist das Einsteigen in einen Schlafwagenzug genau durchorchestriert. Da wird nicht einfach auf das Perron gelaufen und eingestiegen, nein, da wird zuerst brav in Einerkolonne vor dem Ausgang der Lounge eingestanden und gewartet, bis der Befehl zum Aufbruch in Richtung Gleishalle kommt.

Einsteigen

Begleitet von freundlichen aber bestimmt auftretenden Mitarbeiter*innen von AMTRAK setzt sich die Kolonne schliesslich in Bewegung und macht sich auf verschlungenen Pfaden weg von der «Great Hall» in Richtung Gleishalle. In der unterirdischen Gleishalle mit dem Charme einer Tiefgarage steht unser Zug. Eindrücklich, die Dimension der Doppelstockwagen. Laut ists, wenn man an der gewaltigen Diesellokomotive vorbeiläuft, die gerade auf dem Nachbargleis eingefahren ist.

Unsere Einerkolonne ist auf dem schmalen Perron zum Stillstand gekommen. An der Spitze werden nun die ersten Fahrkarten kontrolliert und die Gäste einer nach dem anderen zum entsprechenden Schlafwagen gewiesen. Auch wir werden von der Schlafwagenschaffnerin begrüsst und kurz und knackig informiert, was zu tun ist: Einsteigen, rechts die Treppe hoch, sich ins Schlafwagenabteil begeben und sie komme dann nach der Abfahrt vorbei mit mehr Informationen. «Ok, danke Ma'am, yes Ma'am.»

Bereit für die Reise

Nachdem wir uns mit unseren Tagesrucksäcken an weiteren Gästen, die , sehr zum Ärger der Schaffnerin, umständlich ihren Koffer in die Gepäckablage zu verstauen versuchen, ins obere Stockwerk hochgearbeitet haben, beziehen wir unser kleines Reich für die nächsten zwei Tage. Wir sind bereit für die Reise.


Schlafwagen und Sitzplätze

Die Schlafwagenabteile

Die Beschreibung der verschiedenen Schlafwagenabteile finden Sie auf dieser Site: California Zephyr. Gerne dazu einige persönliche Kommentare:

  • Die Kategorie «Roomette» ist die einfachste Kategorie und wirklich, wirklich klein. Die sich zwei gegenüberliegenden Einzelsitze entsprechen der Breite des Abteils. Am Abend mit den Stockwerkbetten ähnelt das Abteil dann schon einem japanischen Kapselhotel. Der offizielle Hinweis, dass es im Abteil Platz habe für einen Koffer, können Sie vergessen. Alles was grösser ist als ein Tagesrucksack hat keinen Platz! Toiletten befinden sich sowohl in der oberen wie auch der unteren Etage und waren bei Stichkontrollen immer sauber.
  • Die Schlafwagenkategorie «Bedroom» ist wesentlich komfortabler: Von der Grösse her ist es ungefähr wie ein 6er-Abteil in einem ICE. Ein Einzelsitz sowie eine Sitzbank entlang der Breite des Abteils bieten genügend Platz für zwei Personen. Ein Vorteil ist, dass diese Kategorie über eine eigene Dusche/WC verfügt. Wobei das mit dem Duschen so eine Sache ist. Das WC ist klein und duschen kann man eigentlich nur, wenn man auf dem WC-Deckel sitzt.

    Zu den Betten: Das untere Bett könnte knapp als Doppelbett durchgehen. Das Schlafwagenpersonal wird sicher fragen, ob beide unten schlafen möchten oder in Einzelbetten. Da die Fahrt durch die Nacht unruhig sein kann, aufgrund der Gleislage (dazu später mehr), würde die Doppelbelegung sicherlich nicht dazu beitragen, dass man mehr Schlaf bekommt. Auf der anderen Seite muss man, um das obere Bett zu erreichen, eine gewisse Gelenkigkeit haben. Man kann es sich ungefähr so vorstellen, wie bei einem europäischen Schlafwagen.

Die Sitzplätze

Der «California Zephyr» bietet auch Reisen in normalen Sitzplätzen an, der sogenannten «Coach»-Klasse. Die Doppelstockwagen mit einer Sitzplatzkonfiguration von 2+2 bieten relativ breite Einzelsitze, deren Rückenlehne auch leicht verstellt werden kann. Natürlich ist der Komfort während der Nacht nicht zu vergleichen mit einem Schlafwagenabteil, aber doch noch angenehmer als eine Nacht in der Economy-Klasse im Flugzeug. Und wenn man Glück hat, ist der zweite Sitz noch frei, so dass man sich trotzdem etwas mehr ausstrecken kann.


Speisewagen und Observation Car

Der Speisewagen

Ein Fixpunkt während der Reise sind die Mahlzeiten im Speisewagen. Für Gäste der Kategorien «Roomette» und «Bedroom» sind alle Mahlzeiten im Reisepreis eingeschlossen. «Coach»-Klasse-Reisende bezahlen  – sofern sie im Speisewagen essen möchten – die Mahlzeiten einzeln. Die Preise bewegen sich zwischen USD 20 (Frühstück) und USD 45 (Abendessen).

Das Frühstück ist mit einer Auswahl zwischen «Continental» und bis zum Drei-Eier-Omelette gut. Das Mittagessen geht in Richtung Fast Food mit einem Dessert und einem Gratisgetränk (für mich war das eher so Kapitel «Nahrungsaufnahme»). Die beste Mahlzeit ist das Drei-Gang-Menü am Abend, inklusive einem Getränk (wer möchte auch alkoholisch). 

Der Observation Car

Ein sehr beliebter Wagen, bei schönem Wetter, ist der sogenannte Observation Car. Dank seiner grosszügigen Scheiben hat man einen wunderbaren Ausblick. Dieser Wagen ist beim «California Zephyr» vor allem am zweiten Reisetag beliebt: Er fährt durch die eindrücklichen Landschaften von Colorado und Utah. Da wird vom Personal schon mal ein «Schichtwechsel» angeordnet, damit alle Fahrgäste die Gelegenheit haben, im Wagen Platz zu nehmen. In der unteren Etage des Wagens befindet sich zudem eine Snackbar, bei der man sich ausserhalb der Mahlzeiten mit Snacks und Getränken eindecken kann.


Die Reise

1. Tag: Chicago/Illinois – Omaha/Nebraska

Abfahrt in Chicago ist pünktlich um 14 Uhr. Während den ersten Stunden geht es durch die Vororte von Chicago und dem noch relativ dicht besiedelten Westen von Illinois sowie Iowa. Die unzähligen Strassenkreuzungen lassen die kräftige Hupe der Diesellokomotive praktisch im Minutentakt erschallen. Dies lässt zum Glück später am Abend, wenn der Zug in weniger besiedeltes Gebiet kommt, nach. Dieser erste Teil der Strecke ist für amerikanische Verhältnisse stark befahren. Da Güterzüge in den USA immer Vorrang haben, reisen wir schon bald mit ungefähr einer Dreiviertelstunde Verspätung. Aber wie es sich zeigen wird, ist das nicht zwingend ein Problem.

Bumpy ride

In den USA ist die Qualität der Gleisinfrastruktur oft nachlässig, was gerade bei höherer Geschwindigkeit (wo diese zulässig ist) den Fahrkomfort beeinträchtigen kann. Seien Sie also nicht überrascht, wenn man auf dem Weg zum Speisewagen durch einen plötzlichen Ruck aus dem Gleichgewicht geworfen wird.

Richtig interessant war es während der Nacht, als der Zug durch Nebraska brauste. Offensichtlich sind dort noch relativ hohe Geschwindigkeiten erlaubt und man wird dementsprechend durchgeschüttelt. Ich vergleiche es mit einem Nachtflug mit starken Turbulenzen in der Businessklasse: Zwar liegt man, man schläft oder döst aber nur unruhig. Dieser «Bumpy ride» war auf jeden Fall gutes Gesprächsthema während dem Frühstück am nächsten Tag. 


2. Tag: Omaha/Nebraska – Salt Lake City/Utah

Der absolute Höhepunkt, wieso man unbedingt mit dem «California Zephyr» reisen sollte: Frühmorgens erwacht man im Bahnhof von Denver, wo der Zug eine knappe Stunde Aufenthalt hat. Wir waren auf jeden Fall wieder im Fahrplan und um 8 Uhr morgens ging es los in Richtung Rocky Mountains. 

Der höchste Punkt der Reise

Kurz nach der Abfahrt beginnt der Zug in langen Schleifen und durch mehr als vierzig Tunnel seinen Weg über und durch die Berge. Kurz vor dem ersten Halt um 10 Uhr morgens durchquert der Zug den im Jahr 1928 eröffneten Moffat Tunnel. Mit 2'816 Metern über Meer, rund 450 Meter höher als der Niesen in der Schweiz, ist es der höchste Punkt der Reise. Immer wieder eröffnen sich wunderbare Ausblicke auf die endlos scheinenden Hügel und Wälder, während sich der Zug entlang von Bergflanken schlängelt. 

Kaum geschafft, folgen in den nächsten Stunden landschaftliche Höhepunkte: Der Zug schlängelt sich zuerst entlang des Fraser Rivers, um dann nach dem Halt in Granbgy dem Canyon mit dem Colorado River zu folgen. Das sind die Stunden, in denen der Aussichtswagen bis auf den letzten Platz gefüllt ist und der bereits genannte «Schichtwechsel» zum Einsatz kommt. Aber selbst vom Sitzplatz- oder vom Schlafwagenabteil aus kann man in aller Ruhe die Schönheit dieser Landschaft geniessen. 

In der Nähe der spektakulärsten Nationalparks der USA

Aber der Tag ist noch nicht vorbei. Nach der Haltestelle Grand Junction ändert sich die Landschaft und man durchfährt bis zum Einbruch der Dunkelheit zwar karges, flaches Land, in der Distanz aber, thronen die eindrücklichen roten Felsformationen vom Arches National Park. Da wird einem bewusst, dass man nicht weit von den spektakulärsten Nationalparks der USA, wie dem Grand Canyon oder Bryce Canyon, entfernt ist. 

Nach diesen unzähligen Eindrücken geniesse ich zum Abendessen das «Flat Iron Steak» mit einem Glas Wein doppelt. Um 11 Uhr abends erreichen wir pünktlich Salt Lake City, wo wir uns auf dem Perron noch etwas die Füsse vertreten können. Anschliessend geht es zurück ins Abteil für eine weitere Nacht im Zug, der weiter durch die Rockies fährt ...


3. Tag: Salt Lake City/Utah – Emeryville/Kalifornien

Nach einer wesentlich ruhigeren Nacht, der Zug fuhr wegen der kurvenreichen Strecke wesentlich langsamer, finden wir uns im Tahoe National Forest wieder. Den Vormittag verbringe ich lesend im Lounge Car, während sich der Zug langsam durch die waldreichen Berge schlängelt – auf seiner letzten Etappe in Richtung Pazifik.

Nach dem Mittagessen nähern wir uns wieder dichter besiedeltem Gebiet. Ein Halt in Sacramento, der Hauptstadt des Staates Kalifornien, erreichen wir kurz nach dem Mittagessen. Von da aus ist es nur noch ein – für amerikanische Verhältnisse – Katzensprung bis nach Emeryville, einem Vorort von Oakland, Wir kommen, eher untypisch, vierzig Minuten zu früh an. Ankunftsverspätungen von mehreren Stunden können durchaus passieren, denn auf dem Weg von Chicago nach Kalifornien haben, wie erwähnt, die Güterzüge Vorfahrt. Zudem können kurzfristige Baustellen den Zug zusätzlich ausbremsen. 

Willkommen in San Francisco

San Francisco hat keinen Bahnanschluss ans AMTRAK-Netz, so dass diese epische Reiseroute recht unspektakulär in der Nähe der «San Francisco Oakland Bay Bridge» endet. Ein kleines aber modernes, in den 1990er-Jahren erbautes Bahnhofgebäude heisst die ankommenden Reisenden willkommen.

Man kann vom Bahnhof Emeryville einen Bustransfer zum zentralen Busterminal in San Francisco buchen. Wir haben uns jedoch entschlossen, vor Ort ein Uber-Taxi zu bestellen, das uns direkt zu unserem Hotel fährt. Das moderne Busterminal in San Francisco liegt im südlichen Teil der Stadt, während die meisten Tourist*innen in Hotels im nördlichen Teil wohnen. 


Diese Reise unternehmen?

Gerne organisieren wir Ihre Reise mit dem «California Zephyr». Zwei Reisevorschläge gibts hier: 

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